Mittwoch, 21. August 2013

Polizeiliche Vorladung bekommen ... was tun?


Der „nemo tenetur ipsum accusare“- Grundsatz besagt, dass niemand gezwungen ist, sich selbst zu belasten.

Dieser Grundsatz, der sich prozessrechtlich in § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO (für den Beschuldigten) und § 55 Abs. 1 StPO (für den Zeugen) findet, hat seine Grundlage im Allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) und der vom Staat zu schützenden Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), die auch vor einem in der Situation einer Konfrontation mit der staatlichen Gewalt empfundenen Zwang schützen, sich selbst zu lasten. Demgemäß wird der nemo-tenetur-Grundsatz als ein grundrechtsgleiches Recht verstanden.


Die Vorladung zur Beschuldigtenvernehmung, nicht selten auch die Aufforderung, zu einem Vorwurf schriftlich Stellung zu nehmen, ist in aller Regel die erste Information, die der Beschuldigte über ein gegen sich selbst gerichtetes Verfahren erhält. Oft erweckt die Vorladung durch die Polizei bei dem rechtlichen Laien den Eindruck, dass er verpflichtet sei, der Vorladung Folge zu leisten. Jedoch ist es in einem Rechtsstaat niemandem zuzumuten, an der eigenen Strafverfolgung mitzuwirken. Von daher besteht auch keine Verpflichtung für einen Beschuldigten, der polizeilichen Vorladung nachzukommen.

Sobald der Beschuldigte eine Vorladung erhält, stehen ihm drei Alternativen zur Verfügung:


Der Beschuldigte unternimmt gar nichts und lässt die ganze Angelegenheit auf sich ruhen.
Dies wird nicht selten dazu führen, dass er wenige Monate später eine Anklageschrift zugestellt bekommt. Zwar dürfen aus dem Nichterscheinen keine negativen Schlüsse für den Beschuldigten gezogen werden, jedoch bringt dieser durch seine Untätigkeit auch keine entlastenden Momente zum Ausddruck.


Der Beschuldigte kommt der Vorladung nach, erscheint bei der Polizei und sagt zur Sache aus.
Die Vorstellung, zur Polizei zu gehen und sie mit einer zurecht gelegten Schilderung aufzuklären, dass an dem Vorwurf nichts dran ist, kann vorschnell und trügerisch sein. Wenn die Polizei den Beschuldigten zur Vernehmung lädt, hat sie in der Regel bereits die anderweitig bestehenden Möglichkeiten genutzt, den Sachverhalt betreffend den gegen den Beschuldigten aufgetretenen Verdacht auf Begehung einer Straftat aufzuklären. Der Verdacht hat sich nicht zerstreut, womöglich sogar vielmehr erhärtet. Denn ansonsten hätte der Staatsanwalt das Verfahren mangels Tatverdachts ohne die Vernehmung des Beschuldigten eingestellt und dieser hätte nie etwas davon erfahren.
Der Beschuldigte weiß absolut nicht, welche Erkentnisse die Polizei bereits hat und oder womit sie den Beschuldigten in Erklärungsnöte bringen kann. In dieser Situation liegen im Regelfall alle Vorteile auf Seiten der vernehmenden Polizei. Der Beschuldigte muss bei jeder Frage mit Überraschungen rechnen, auf die er in der Vernehmung nur spontan reagieren kann, ohne die Möglichkeit, vor der Antwort überprüfen zu können, ob er sich nicht gerade selbst bezichtigt.


Der Beschuldigte entscheidet sich dafür, einen Verteidiger einzuschalten.
Der Beschuldigte sollte sich einen Strafverteidiger aufsuchen, damit dieser zunächst einmal Einsicht in die Strafakte erhält. Denn nur ein Verteidiger ist im Strafverfahren befugt, in die Akten einzusehen und die amtlich verwahrten Beweisstücke zu besichtigen; der Beschuldigte selbst hat keinen Rechtsanspruch auf Akteneinsicht. Nach Sichtung bzw. Fotokopie der Akten wird der Verteidiger dem Beschuldigten den Inhalt mitteilen und mit ihm gemeinsam eine geeignete Verteidigungsstrategie aufbauen.


Sollte sich der Beschuldigte dazu entschließen, einen Verteidiger zu mandatieren, sollte er dies unbedingt vor einer Aussage bei der Polizei machen. Anderenfalls besteht die nicht unerhebliche Gefahr, dass er die Verteidigungsstrategie seines späteren Verteidigers einschränkt.



Rechtsanwalt Serkan Kirli
Rechtsanwälte Kirli & Ippolito GbR
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